Mimotype hat neuartige Materialsysteme für bioinspirierte, organische Halbleitertechnik entwickelt, die eine Lichterzeugung nach dem Vorbild der Natur ermöglichen. So haben Claudio und Danilo Flores Hydrogel-basierte Leuchtdioden für medizinische Nutzung im Wearablesektor, High-End-Lichterfahrungen für den Automobilsektor, Luft-, Raum- & die Schifffahrt, sowie innovative Textilfasern geschaffen.
Ihr habt 2021 das Nanotechnologie-Startup Mimotype gegründet. An welchem Punkt eures Studiums/eurer Forschung kam der Gedanke auf, selbst ein Startup zu gründen und wodurch wurde eure Entscheidung beeinflusst?
Mimotype ist kein „Spin-out“, sondern ein „Spin-In“. Aus dem Privatsektor kommend haben wir uns in einer Art reverse merger in die deutsche Hochtechnologielandschaft eingespleißt. Von der Organisationsstruktur her sind wir ein wendiges Schnellboot; gleichwohl haben wir aufgrund von Leasingverträgen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen Zugriff auf die allerneuesten Maschinen und Fertigungsanlagen.
Wir arbeiten seit 2017 als Innovationsmanager im Bereich bioinspirierter Hochleistungsmaterialien. Auf Grundlage der Forschungsarbeiten von Claudio auf dem Feld der theoretischen Biologie entwickelten wir einen Ansatz für das schnelle Prototyping von Biomaterialien, der auf dem Kerngedanken der konvergenten Evolution fußt. Die Anwendung dieses hauseigenen Technologiefindungsprinzips führte Mimotype auf das Gebiet der organischen Elektronik. Danilo war schon vor Abschluss seines universitären Jurastudiums klar, dass er eine unternehmerische Laufbahn einschlagen möchte. Claudio hat mit seinem PhD begonnen doch nach einem Jahr entschieden, diesen in den Kryoschlaf zu versetzen und sein Leben der Bio-Entrepreneurship zu widmen. Gemeinsam gestalten und realisieren wir unser eigenes Verständnis von organischer Technologie, Ästhetik und vorteilhaften Anwendungsgebieten.
Nun wollt ihr auch in der Nahrungsmittelproduktion Großes erreichen. Was hat es damit auf sich?
Wir erweitern unsere bahnbrechende Arbeit in der bio-inspirierten, organischen Halbleitertechnologie, um kritische Herausforderungen in der globalen Nahrungsmittelproduktion anzugehen. Da die weltweite Nahrungsmittelnachfrage bis 2050 voraussichtlich um 56% steigen wird und extreme Wetterereignisse die Versorgungssicherheit bedrohen, sind innovative Lösungen erforderlich.
Unser Schwerpunkt liegt auf dem Gewächshausanbau, einem Sektor, in dem künstliche LED-Beleuchtung derzeit unerlässlich ist, um das Pflanzenwachstum zu fördern. Diese ist jedoch auch energieintensiv und auf fossile Energiequellen angewiesen. Dies trägt nicht nur zu übermäßigen Emissionen bei, sondern schafft auch volatile Kostenstrukturen für die Erzeuger.
Die Lösung von Mimotype besteht in der Verwendung von biologisch abbaubaren Photokonversionsfilmen. Diese Filme nutzen gentechnisch veränderte fluoreszierende Proteine, die von Quallen stammen, um unproduktive Teile des Sonnenlichts, wie ultraviolette und grüne Wellenlängen, in photosynthetisch aktive rote und blaue Wellenlängen umzuwandeln. Dieser Prozess ermöglicht es, die ungenutzte Sonnenenergie effektiv für das Pflanzenwachstum zu nutzen, ohne dass zusätzliche Energiezufuhr erforderlich ist.
Durch das Abdecken von Gewächshauswänden mit diesen biologisch abbaubaren und biokompatiblen Filmen können wir das Pflanzenwachstum in verschiedenen Klimazonen verbessern und gleichzeitig die Abhängigkeit von künstlicher Beleuchtung und Energieverbrauch erheblich reduzieren. Dies steigert nicht nur die Effizienz und Nachhaltigkeit der Nahrungsmittelproduktion in Gewächshäusern, sondern trägt auch dazu bei, unsere Nahrungsmittelsysteme gegen zukünftige Unsicherheiten zu sichern.
Die Einsatzmöglichkeiten scheinen sehr vielfältig und fast unendlich. Welche Sektoren schweben euch noch vor für die Zukunft?
Neben dem Gewächshausanbau sehen wir großes Potenzial in mehreren anderen Sektoren, insbesondere in der Solarzellentechnologie und im medizinischen Bereich.
Erstens könnten unsere bio-inspirierten Materialien in der Solarzellentechnologie eingesetzt werden, um die Effizienz zu steigern und die nachhaltige Energieproduktion zu fördern. Solarzellen sind weniger effizient bei der Umwandlung von Licht in Energie bei bestimmten Wellenlängen. Durch die Photokonversion des einfallenden Lichts in Wellenlängen, die der besten Effizienz der Solarzellen entsprechen, könnte unsere Technologie die Leistung der Solarzellen erheblich verbessern.
Im medizinischen Bereich stellen wir uns vor, die Optogenetik in der Neurotechnologie und
-forschung voranzutreiben. Dies könnte zu Fortschritten im Verständnis neurologischer Erkrankungen führen. Darüber hinaus könnten unsere biokompatiblen Lichtquellen einen Einfluss auf tragbare medizinische Geräte haben, die die Patientenversorgung und die allgemeinen Therapieergebnisse verbessern.
Ihr habt das Unternehmen gemeinsam als Brüder gegründet. Welche Bedeutung hat eure familiäre Beziehung für das Unternehmen?
Wir sind wahrscheinlich das widerstandsfähigste Team der Welt. Es ist ein großartiges Gefühl, in einem entstehenden Familienunternehmen zu arbeiten. Natürlich gibt es Konflikte, aber wir lernen, damit umzugehen und zu deeskalieren. Es ist die beste Schule für angewandte Psychologie, die man sich wünschen kann. Wir könnten uns keinen anderen Mitgründer wünschen und würden es auch nicht anders haben wollen. Ich habe kürzlich gelesen, dass in der Kristallographie das Konzept der Zwillingskristalle sehr wichtig ist. Ich denke immer wieder darüber nach, wie unser gemeinsames Wachstum damit zusammenhängt.
Habt ihr einen Rat an Forschende, die noch überlegen, ein Technologie-Startup zu gründen?
Geht nicht den Trends und Hypes nach, denkt kritisch nach und geht nicht mit dem Strom. Wenn Ihr von Eurer Vision überzeugt seid und Technologie und Realisierbarkeit im Einklang stehen, verfolgt Eure Ideen, auch wenn wenige andere auf diesem Gebiet forschen und entwickeln. Diese Nischen brüten oft die wahren Durchbruchstechnologien aus. Lasst Euch nicht zu viel von Investoren, VCs und/oder Start-Up Coaches erklären, denn diese haben meistens nie selbst gegründet. Studiert die großen wissenschaftlichen Unternehmer der Vergangenheit, die einen wahrhaftigen Wagemut an den Tag gelegt und damit die Welt verändert haben. Auch im vernetzten, digitalen Zeitalter geht nichts über Hartnäckigkeit, Überzeugung, Authentizität und Durchsetzungsvermögen.
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