Namhafte Konzerne wie EDEKA oder TIER zählen zu den Kunden des Unternehmens, das bei seiner Ausgründung vom Startup-Service der Humboldt-Universität zu Berlin unterstützt und vom EXIST-Stipendium gefördert wurde: Es geht um die key2contract GmbH INHUBBER, die 2019 von der promovierten Geo- und Wirtschaftswissenschaftlerin Elena Mechik, ihrem Mann und Bruder gegründet worden ist. Das Unternehmen bietet seinen Kunden eine digitale Vertragsverwaltungs- und E-Signatur-Lösung, durch die eine verbesserte Vertragsübersicht, erhöhte Transparenz sowie Fristeinhaltung gewährleistet werden. 

Was die Vertragsverwaltungssoftware mit dem Schutz des Regenwalds zu tun hat, sie auf der Welt einzigartig macht und welche Erfahrungen Elena als Frau mit Migrationshintergrund in der Gründungsszene gesammelt hat, erfahrt ihr hier.

Wie kamt ihr gerade auf diese Geschäftsidee?

Meine Geschichte fängt mit der Reise nach Brasilien an. Mit der Liebe für den tropischen Wald und Schutz vor illegaler Abholzung. Wir sind nach meiner Reise auf die Statistiken zum Zusammenhang von Papierverbrauch und Abholzung gestoßen, nach denen Papiergüter für 16% der Abholzung verantwortlich sind. Da kam die Idee auf, auch von Deutschland aus dagegen vorzugehen, indem man ein wirtschaftliches, aber nachhaltiges Unternehmen gründet.

Im Anschluss haben wir überlegt, wie man Papier sparen kann und entwickelten das Ziel der papierlosen Büros. Dann kam es zu dieser Idee der digitalen Vertragsverwaltung und Unterschriften. Wir wollten Unternehmen die Möglichkeit bieten komplett papierlos unterwegs zu sein und dabei effektiver und effizienter zu arbeiten.

Mit eurem Produkt unterstützt ihr Unternehmen dabei, Papier zu sparen und einen Schritt Richtung Nachhaltigkeit zu gehen. Wie versucht ihr noch, Unternehmen dabei zu helfen, nachhaltiger zu werden?

Wenn man mit Unternehmen spricht, ist das Thema der Papiereinsparung eher nachrangig. In erster Linie geht es ihnen um Effizienzsteigerung. Die Kunden, die auf uns zukommen, haben oft das Problem, dass sie bestimmte Verträge nicht sofort finden können. Es fehlt die zentrale Übersicht aller Verträge und vor allem in der heutigen Zeit, in der wir eine Finanzkrise erleben, merken wir, dass jedes Unternehmen sparen möchte. Ohne eine zentrale Übersicht über alle Verträge, ist es sehr schwer, zu entscheiden, wo man sparen könnte.

Aber genau eine solche zentrale Übersicht bieten wir unseren Kunden. Zusätzlich bieten wir die Möglichkeit, keine Kündigungsfrist mehr zu verpassen, indem eine automatische Erinnerung an Kündigungsmöglichkeiten erfolgt. Das ist immens wichtig, wie ich es immer wieder bei unseren Kunden sehe: Vor Kurzem habe ich mit einem Unternehmen gesprochen, das VIP-Tickets für Hertha gebucht hatte. Dann hat Hertha aber doch an einem anderen Ort gespielt als gedacht, sie haben die Stornierungsfrist für die sehr teuren Tickets verpasst und dann Verluste von 20 000 Euro für ein Jahr verbucht. Daraufhin kamen sie auf uns zu, damit so etwas nie wieder passiert. 

Welche Bedeutung hatte der Startup-Service der Humboldt-Universität für die Entwicklung eures Unternehmens?

Wir sind im Startup-Inkubator der Humboldt-Universität gestartet. Dort glaubte man an uns. Intensiv wurden wir von Professor Lessmann beraten, was sehr wichtig für das EXIST-Stipendium war. Wir saßen in dem Jahr, in dem wir durch das Stipendium gefördert wurden, im Gründerhaus der Humboldt-Innovation und vertieften unsere Idee, die Technologien der Blockchain und KI für eine sichere Vertragsverwaltungs- und E-Signatur-Lösung zu vereinen. Auch hatten wir dort unser erstes Büro und standen in engem Austausch mit dem Startupservice der HI. Heute befinden wir uns weiterhin in kontinuierlichem Austausch mit der HI, nutzen z.B. die Angebote des Startup-Alumni-Netzwerks und profitieren vom Kontakt mit anderen Startups. 

Außerdem erzähle ich die Geschichte, dass wir von der Humboldt-Universität kommen, den Kunden so gut wie jeden Tag. Ich empfinde sie als eine sehr schöne Geschichte. Wir sind als Studenten, als Forscher gestartet, hatten Unterstützung durch die Humboldt-Universität und sind jetzt zu einem stabilen Unternehmen mit großen Kunden geworden.

Seid ihr mit eurer Geschäftsidee einzigartig auf der Welt?

Für die Vertragsverwaltung gibt es sehr unterschiedliche Lösungen und damit viele Wettbewerber. Das, was uns einzigartig macht, ist die Verschlüsselung. Wir bieten eine super sichere Lösung an, zu der wir damals auch an der Humboldt-Universität geforscht haben. Uns war die Sicherheit sehr wichtig, da wir schon damals wussten, dass uns niemand Verträge anvertrauen wird, wenn wir diese nicht hochsicher verwalten.

Als die Software fertig entwickelt war, haben wir gemerkt, dass wir mit der durchgehenden Verschlüsselung einzigartig auf dem Markt sind. Unsere digitale Signatur basiert auf der Blockchain-Technologie und damit haben wir eine einzigartige Möglichkeit geschaffen, beliebige Dateiformat zu signieren, wie z.B. eine Excel-Tabelle. Normalerweise müsste diese zuerst in ein PDF umgewandelt werden. Bei uns ist es möglich, die Excel-Tabelle direkt zu signieren. Auch künstliche Intelligenz ist etwas, das wir einsetzen und wodurch wir uns von anderen Wettbewerbern abheben. Durch KI haben wir die Möglichkeit bestimmte Inhalte aus den Verträgen sehr schnell herauszulesen und so eine schnellere Vertragsbearbeitung zu gewährleisten. 

Portrait of INHUBBER-founder Elena Mechik.
INHUBBER-Gründerin Elena Mechik.

Was waren deine wichtigsten Learnings während der Gründungsphase?

Bewusst hatte ich vor meiner Zeit bei INHUBBER nie wirklich gelernt, wie Vertrieb funktioniert. Das war etwas, was ich von Null auf erlernen musste. Ich finde es superwichtig, dass man als Gründer oder Gründerin auch Vertrieb mitmacht. Beim Marketing war es genau das Gleiche. Früher musste ich nie Marketing betreiben. Das waren Bereiche, in denen ich besser werden wollte und jetzt auch bin. Ich habe mir Unterstützung durch unterschiedliche Berater gesucht und diverse Videos angeschaut. Der Vorteil bei der Gründung ist, dass man das, was man lernt, am selben Tag noch anwenden kann. Das ist auch heute noch oft so. Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem ich mich intensiver beschäftigt habe, waren Investitionen und Investorensuche. Ich habe die gesamten Termsheets, also Investitionsrunden, und die entsprechenden Begriffe kennengelernt. Das ist eine Wissenschaft für sich. Man muss sich hier auskennen, sonst kann man nicht gut verhandeln und es kann gefährlich für das Unternehmen werden.

Wie ist dein Gründungswille entstanden und hatten deine Erfahrungen aus der Einwanderung Einfluss auf diesen?

Diesen Willen, etwas zu verändern und die Welt zu verbessern, habe ich schon, solange ich denken kann. So habe ich zum Beispiel mehrmals bei “Jugend forscht” teilgenommen. Auch haben wir während der Universitätszeit begonnen, mit Studenten eine Art nachhaltiges Unternehmen zu gründen. Bei „Arboreal“ ging es um nachhaltige Verarbeitung von Nicht-Holzprodukten im Zusammenhang mit tropischen Wäldern. Das haben wir dann nicht weiterverfolgt. Später habe ich einen Verein gegründet. Auch hier mit dem Willen zu schauen, wie man den Klimawandel minimieren und tropische Wälder schützen kann. Dann habe ich promoviert. Am Ende der Promotion habe ich mit meinem Doktorvater gesprochen und er sagte, du bist eine Gründerin, du bist eine Unternehmerin, du gehörst eigentlich nicht direkt in die Forschung. Es liegt wahrscheinlich in meiner Natur, dass ich im Laufe meines ganzen Lebens Möglichkeiten gesucht habe, wie ich die Welt ein kleines Stückchen besser machen kann.

Welche Erfahrungen hast du als Frau mit Migrationshintergrund in der Gründungsszene gemacht?

Das ist schwierig zu sagen, weil ich mich nur schlecht mit einem deutschen Mann vergleichen kann. Aber ich denke schon, dass wir aufgrund der Tatsache, dass wir Gründer alle drei nicht deutschstämmig sind, einige Hindernisse hatten. Wir besaßen auch kein großes Netzwerk, auf das wir früher zurückgreifen konnten. Das mussten wir ganz neu aufbauen. Ich glaube, dass einige potenzielle Investoren aufgrund unseres Migrationshintergrundes und einer Frau als ihre erste Ansprechpartnerin, in dem Falle war das ich, abgesprungen sind. Vor Kurzem wurden wir bei Female Founders von AWS ausgewählt und durften drei Monate lang bei einem Programm teilnehmen. Dort gab es einen Vortrag darüber, wie man als Frau mit Investoren spricht. Das stellt tatsächlich eine eigene Wissenschaft dar, in deren Rahmen schon einige Artikel und Papers veröffentlicht wurden. Eine Forscherin hat bspw. die Fragestellungen verglichen, die Investoren an Männer und Frauen richten. An Frauen werden ganz oft Fragen gestellt, die von Grund auf einen leicht negativen Beigeschmack haben. Ich konnte mich an ähnliche Situationen aus meinem Arbeitsleben erinnern. Man kann nach Potenzialen fragen oder etwa nach Hindernissen und die Investoren merken das selbst nicht mal und behandeln Männer und Frauen demnach unbewusst auf eine unterschiedliche Weise. Studien zeigen auch, dass man am liebsten in Projekte ähnlicher Personen investieren möchte. Und wenn dann, wie weitere Statistiken besagen, 80-90% aller Investoren männlich sind, gestalten sich die Chancen als Frau oder als Person mit Migrationshintergrund natürlich etwas schwieriger. Aber trotz all dieser Widrigkeiten ist es uns gelungen, Investoren mit unserer Technologie, einem hervorragenden Team und großen Kunden wie EDEKA, OECD usw. zu überzeugen. Für jede Regel gibt es Ausnahmen.

Du hast das Unternehmen mit deinem Ehemann und deinem Bruder gegründet. Welche Bedeutung hat eure familiäre Beziehung für das Unternehmen?

Es gibt Vor- und Nachteile wie bei allem. Die Vorteile sind, dass wir uns komplett vertrauen können. Wir kennen die Motivation jeder Person und wir halten immer zusammen. Außerdem herrscht immer ein offener Austausch ohne Barrieren. Nachteile gibt es auch: Viele Investoren betrachten ein Familienunternehmen als ein Risiko und damit eine Gefahr. Einige sehen z.B. in einer möglichen Scheidung eine potenzielle Bedrohung für das Unternehmen. Hinzukommt, dass wir in unserem Unternehmen ein Ehepaar, mein Mann und ich, und ein Geschwisterpaar, mein Bruder und ich, haben. Da sehen Investoren teilweise ein weiteres Risiko. Auf der anderen Seite sind die großen erfolgreichen Unternehmen in Deutschland wie Otto oder Aldi Familienunternehmen. Meiner Erfahrung nach wirtschaften die Familienunternehmen eben anders als andere Kapitalgesellschaften, mit mehr Sorge um Arbeitnehmer und Zukunft. Aber das sind die Herausforderungen. Inzwischen sprechen wir komplett offen darüber und verheimlichen das nicht. Für uns ist es ist es sehr vorteilhaft, so zu arbeiten und wir können es auch nicht ändern.

Euer Team ist sehr divers und international. Warum könnte das deiner Meinung nach ein Schlüssel zum Erfolg sein?

Ich finde, je diverser das Team ist, desto innovativere Ideen können daraus entstehen, weil alle einfach eine komplett andere Wissensbasis und Denkstrukturen mitbringen -Aufgrund verschiedener Kulturen und Ausbildungen. Davon kann man als Unternehmen nur profitieren.

Vielen Dank für das Interview, Elena!