Hallo Tobias, erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Eurem neuen Meilenstein, neun Jahre nach Eurer Gründung werdet Ihr Teil von Doctolib!

1. Was war damals Eure Motivation zur Gründung eines eigenen Unternehmens?

Für uns alle war der Hauptgrund, mit der Zeit als Gründer möglichst viel zu bewegen und dabei eine Menge zu lernen. Daneben war es uns wichtig, eine Unternehmenskultur aufzubauen, in der wir und andere sich wohlfühlen, und in der das Ganze immer größer als die Summe der Einzelteile ist. Wir hatten alle schon Unternehmergeist geschnuppert, bevor es mit Aaron losging – und an anderen beruflichen Stationen gemerkt, dass diese Dinge nicht selbstverständlich sind.

2. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen, Künstliche Intelligenz für Mensch-Maschine-Dialoge zu nutzen?

Wir haben monatelang überlegt, welche unserer vielen Ideen wir umsetzen möchten. Am Ende war klar: nichts wird unsere Arbeitswelt so verändern wie Künstliche Intelligenz! Wir waren uns einig, dass die Interaktion mit Computern über Tastaturen, Screens und Mäusen nicht mehr zeitgemäß, sowie langsam und fehleranfällig ist und dass KI der Schlüssel ist, einen viel natürlicheren Umgang zwischen Menschen und Technologie zu schaffen.

3. Wart Ihr bei der Entwicklung von Anfang auf Arztpraxen fokussiert?

Nein. Wir haben viel Lehrgeld bezahlt, bis wir diesen Pfad eingeschlagen haben. In der Zeit bis 2018 haben wir unsere Produkte zuerst wenig erfolgreich an Privatkunden vertrieben, bis wir dann auf Enterprise gewechselt sind und große Kunden wie die Deutsche Bahn und E.ON gewonnen haben. In der Zeit ging es aber mehreren Personen in den Familien der Gründer gesundheitlich schlecht, sodass wir neben der Arbeit viel mit Arztpraxen und Kliniken telefoniert haben. Da wurde uns klar: Unsere KI-Technologie kann im Gesundheitsbereich für den Durchbruch sorgen, und wir können an Verbesserungen in einem Bereich arbeiten, der uns und viele andere tief bewegt. Also haben wir uns entschieden, Enterprise-ready Software in die Arztpraxis zu bringen – was uns dann erfolgreich gemacht hat.

Grafik digitaler Assistent
Grafik zeigt einen Roboter in einem Smartphone, der einem Mann die Hand reicht.

4. Wie hat es sich für das Team von Aaron angefühlt, als ihr euch entschieden habt, Teil von Doctolib zu werden?

Es war das “obvious Match” in der Branche – Aaron.ai als Marktführer für KI-basierte Assistenz und Doctolib als europäischer Marktführer für die Digitalisierung von ärztlicher Versorgung. Unsere Produkte passen perfekt zusammen und ergänzen sich. Zusammen können wir die Digitalisierung von Arztpraxen noch einmal auf ein anderes Level heben und vielen weiteren Patient:innen den Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern. Darauf freue ich mich sehr!

5. Deine eigene Rolle verändert sich jetzt ebenfalls, vom CEO von Aaron zum Partner eines international agierenden, französischen Health-Tech-Unternehmens. Was kommt mit diesen neuen Strukturen auf Dich zu?

Ich habe richtig Lust auf die anstehende Aufgabe, zwei großartige Technologien und Teams zusammenzubringen und gemeinsam den Impact von vier Jahren in einem zu schaffen!

6. Was möchtest Du in diesem neuen Setting für die Weiterentwicklung eurer Lösung erreichen?

Wir möchten schrittweise das stärkste KI-basierte Produkt speziell für den ärztlichen Bereich entwickeln und die Gesundheitsversorgung der Zukunft gestalten. Damit schließen wir die immer weiter wachsende Spanne zwischen der steigenden Nachfrage nach Gesundheitsleistungen und dem zunehmenden Fachkräftemangel.

7. Wie siehst du die künftige Entwicklung von KI-basierten Sprachsteuerungen in unserem Alltag? Was sind die großen Chancen? Was sagst du Menschen, denen diese Entwicklungen Sorgen machen?

Sprechen ist, nach einschlägiger Forschung, 1,5-2,5x schneller als Schreiben. Sprachsteuerung wird sich daher an Orten durchsetzen, an denen man Dinge laut aussprechen kann, ohne andere zu stören oder sich belauscht zu führen – sowie für alle Themen, die man gerne mündlich bespricht. Komplizierte, emotionale, strittige oder thematisch sensible Interaktionen in nicht-privaten Räumen werden daher langsamer in diese Technologie wechseln als andere. Daher sind Regelungen zur Steuerung und Genehmigung von KI-basierter Software wie der EU AI Act so wichtig, denn sie erhöhen die Sicherheit und Akzeptanz.

KI-basierte Sprachsteuerung bietet eine große Chance, denn sie ist der einfachste Zugang zur Steuerung komplexer Technologien der Zukunft – wie Robotik, künstlichen Intelligenzen und virtuellen Realitäten.

8. Euer Team wurde in der Gründungsphase vom Startupservice der Humboldt-Universität zu Berlin unterstützt und hat eine Transfer-Bonus-Förderung erhalten, um durch Auftragsforschung an der HU einen Prototypen entwickeln zu können. Welche Bedeutung schreibst Du diesen Angeboten in der frühen Gründungsphase zu?

Sie waren elementar. Ohne EXIST hätten wir uns vielleicht gar nicht in die Existenzgründung gewagt – auf jeden Fall nicht in Vollzeit. Ohne die Förderungen hätten wir nie riskantere Themen ausprobiert, wie zB Sprachsteuerung. Diese Idee kam basierend auf unserer Kooperation mit Prof. Niels Pinkwart, dessen Kollege Chatbots im Rahmen von neuen Unterrichtsmethoden erforscht hat.

9. Was genau war Inhalt des Forschungsauftrags mit der HU?

Es gab mehrere Projekte. Im Rahmen von EXIST! war es ein technisches Coaching durch Niels Pinkwart, der uns zB zu IT-Architektur beraten hat. Anschließend gab es mehrere Forschungstransferprojekte, in denen wir zB Sprachmodelle lange vor der Veröffentlichung von GPT getestet haben.

10. Bei so viel beruflichem Erfolg und Wandel – wie sorgst Du außerhalb Deiner Arbeit für Ausgleich?

Mich holen Freunde, Fußball und meine Band wieder in den Alltag zurück. Trotzdem war das letzte halbe Jahr ein ganz schöner Ritt, und ich freue mich sehr auf die im Sommer geplanten Urlaube.

11. Wenn Du einen Wunsch frei hättest, wo würdest Du Dich in 10 Jahren sehen?

Mit beiden Füßen auf dem Boden und zutiefst zufrieden mit den letzten 10 Jahren!

Co-Founder und CEO Tobias Wagenführer Aaron.ai
Porträt: Tobias Wagenführer.

Im Interview

Tobias Wagenführer
Co-Founder & CEO bei Aaron.ai
Webseite: https://www.aaron.ai/